Guten Morgen mit einer Erinnerung an diesen Tag vor 33 Jahren: Meine Eltern stellen den Fernseher an, wir setzen uns gemeinsam aufs Sofa. Sie sagen: Das ist ein besonderer Moment. Daran werden wir uns noch lange erinnern. Welche Erinnerungen gehen euch zur Deutschen Einheit durch Kopf und Herz?
@1db93fe1 Ist nicht eher der 9. November 1989 der Tag, an den man sich erinnert?
@1db93fe1 Ich war 89 noch nen Tick zu jung (und Schachspieler), hab nur die Maueröffnung wirklich mitgekriegt. Meine erste echte "Einheitserinnerungen", im Sinne, dass es was mit mir gemacht hat, waren dann in den frühen 90ern von Nazis angegriffene Schulklassen und Rostock-Lichtenhagen.
@1db93fe1 Zur Einheit nicht so viele. Zur Maueröffnung schon, da war ich in Berlin, wir haben abends das "... ab jetzt sofort" gehört, nicht geglaubt. Am nächsten Morgen fuhr meine Tante wie immer in ihre Praxis in Grenznähe und rief uns an: Die Mauer ist auf! Onkel und ich nur Klamotten über die Schlafis gezogen und los und da war schon die ganze Innenstadt voll von Trabis. Und er, aus dem Iran, sagte: mal sehen, wie lange die Freude hält ...
@1db93fe1: Der 3. Oktober wurde irgendwie ausgewürfelt. Es hätte auch der 17. Juni werden können. So gesehen war der 9. Nov ein authentisches Datum, dass für Viele - insbesondere in Berlin - unvergesslich ist, weil Sie den Abend und die darauf folgenden Tage selbst miterlebt haben. Im Zeitraum Nov. '89 bis Okt. '90 war schon so Einiges passiert, was den Leuten die Lust zum Feiern genommen hat.
@1db93fe1 Am 9. November 1989 war ich abends am Brandenburger Tor. In der Mitte zwischen Brandenburger Tor, mit der Flagge der DDR und dem Reichstag, mit der bundesdeutschen Flagge. Neben mir ein blonder Junge, 18,19, die hellen Lichter spiegelten sich in seinen begeisterten Augen. Da dachte ich: "Genauso wie damals, Nazis feuchter Traum ist begeistert neben mir. Wenn das mal gut geht." Es ist nicht gut gegangen.
@1db93fe1 Das Datum verbinde ich mit dem besiegelten, endgültigen Ende der Chance auf etwas Neues. :) Das Gefühl von Freiheit, Hoffnung und Aufbruch hatte ich in der kurzen Zeit ab Herbst ‘89; ich verbinde das Datum tatsächlich mit Resignation und “Deckel drauf” und aus meiner Perspektive (sehr junge Frau) als Einhegen in alte, unmoderne Strukturen. (Ich bin trotzdem nach wie vor unheimlich froh und dankbar für Mauerfall, Grenzöffnung und Ende der DDR: die Zukunftsperspektive war gruselig.)
@1db93fe1 habe einige Antworten gelesen. meine Erinnerung an 3. Oktober - meine Mutter schimpft, dass das zu schnell war mit der Wiedervereinigung. Dass man erstmal hätte ein Ost- und ein West-Deutschland haben müssen. Dass mehr Menschen hätten mit entscheiden sollen. ich denke öfter daran, ob es geholfen hätte etwas länger zu warten und zu schauen ob die zwei Deutschlands zusammen wachsen könnten.
@1db93fe1 Erinnerungen: - Die Züge aus Prag mit Botschaftsflüchtlingen, die unbedingt über DDR-Gebiet fahren mussten und dann Bahnhöfe weiträumig gesperrt wurden, damit niemand aufspringt. - Das Reden der Älteren, die den Prager-Frühling 1968 in Erinnerung hatten, es werden wieder Panzer rollen. - Herrn Schabowskis desorientierte Pressekonferenz als Life-Schalte in die heute. - Menschen die auf der Post für Begrüßungsgeld anstehen. Damals noch in Hessen näher dran als heute in BW.
@1db93fe1 Meine Frau u ich fuhren nach Heiligenstadt. Sie hatte einen Karton Schokolade auf dem Rücksitz, den sie den Nonnen vom Bergkloster schenkte. Mir fiel gar nichts ein u meiner Frau nichts besseres. Es war ein schöner Tag u es war Freude da, über die Wiedervereinigung. Die bis heute keine ist, die richtig schmeckt.
@1db93fe1 Nachdem meine Eltern und ich im Frühjahr 1989 aus der DDR ausgereist waren, hatten wir nicht daran geglaubt, unsere Verwandten bald wiedersehen zu können. Dass ein halbes Jahr später die Mauer aufging und anderthalb Jahre später die beiden Deutschlands wieder eins wurden, war für uns ein unglaublich schöner Moment.
@1db93fe1 Am 3. Oktober ist doch lediglich ein Schriftstück unterzeichnet worden, dass Fakten festgehalten hat, die andere geschaffen hatten. Der Tag, den wir feiern sollten, und die Menschen, die wir feiern sollten, sind die, die mit der Zuspitzung am 09. November die Veränderung bewirkt haben. Und wir sollten die nicht vergessen, die das Jahrzehnte zuvor, am 17. Juni schon einmal probiert haben. Ich bin überzeugt davon, dass es gerade jetzt, wo es um alles geht, nämlich uns vor dem Klimakollaps bestmöglich zu retten, wichtig ist zu verstehen, dass nicht Regierungen notwendige Veränderungen bewirken, sondern dass Veränderung passiert, wenn Regierungen ihren Widerstand dagegen aufgeben. Deshalb ist es geradezu absurd, Regierungshandeln zu feiern. Der 3. Oktober ist ein bewusst gewählter Affront gegen die Menschen, die Geschichte geschrieben haben.
@1db93fe1 meine erste Erinnerung ist der Feiertag 1995, als meine Lehrerin erklärte, dass wir alle frel hätten und dass es ein ganz junger Feiertag sei. Ich kann mich nicht erinnern, dass es zu Hause Thema war, obwohl meine Großeltern aus der DDR geflohen waren und es für sie schon eine große Sache war.